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Englische Limiteds nach dem Brexit im deutschen Recht

Auch nach der von der Rechtsprechung entwickelten sogenannten Sitztheorie ist im deutschen Recht einer englischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland die Rechtsfähigkeit zu versagen. Diese Sitztheorie wurde 2002 vom EuGH gekippt - allerdings nur für Gesellschaften aus anderen EU-Mitgliedsstaaten. Demnach können sich englische Limiteds seit dem Wirksamwerden des Brexit nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit berufen und das Geschäft der Ltd. mit allen Aktiva und Passiva wird damit dem bzw. den Gesellschafter(n) zugeordnet.

Die Folgen:

  1.  Hat die Limited eine natürliche Person als Gesellschafter, dann wurde dieser am 01.01.2021 zum Einzelunternehmer.
  2. Hat die Limited mehrere Personen als Gesellschafter, dann wurden diese am 01.01.2021 zur GbR oder, wenn gewerblich geprägt, zur OHG. (Letztere muss beim Handelsregister eingetragen werden.)
  3. Hat die Limited eine juristische Person zur alleinigen Gesellschafterin (z.B. eine irische Holding-Limited), dann sind zum 01.01.2021 die Aktiva und Passiva auf diese Holding-Limited übergegangen. Dies gilt auch für die Zweigniederlassung der englischen Limited; die Holding-Limited muss dann ihrerseits eine neue Zweigniederlassung anmelden.
  4. Eine Ltd. & Co. KG mit englischer Komplementär-Limited wurde am 01.01.2021 zur KG, deren Komplementär der Limited-Gesellschafter ist. Ist er zugleich Kommanditist, erlischt automatisch auch die KG, weil die Identität von Kommanditist und Komplementär nach dem HGB nicht möglich ist. Eine Ein-Mann-Ltd. & Co. KG wird damit zum Einzelunternehmen; gibt es mehrere Gesellschafter, entsteht eine GbR oder OHG.
  5. Soweit das englische Gesellschaftsstatut insgesamt nicht mehr anerkannt wird (wovon aktuell auszugehen ist), werden Aktiva und Passiva der Stiftungs-Limited ab 01.01.2021 dem/den Mitglied(ern) zugeordnet mit der Folge des Verlusts der Unpfändbarkeit.


Doch es gibt auch andere Meinungen; nach einer durchaus plausiblen Rechtsauffassung genießen englische Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland, die vor dem Brexit gegründet wurden, u.U. eine Art Bestandsschutz. So heißt es hierzu etwa im Fachblatt GmbH-Rundschau, dass "es zu den Grundprinzipien unserer Rechtsordnung gehört, dass die Wirksamkeit von einmal getätigten Dispositionen und Rechtshandlungen - hier also der Etablierung einer Ltd. in Deutschland - nicht durch eine Änderung der Rechtslage wieder entzogen werden darf ." (Quelle: Bode/Bron: Brexit als Risiko für die Limited und LLP? In: GmbHR Heft 9/2016). Hintergrund ist der Vertrauensschutz, der einen wesentlichen Pfeiler des Rechtsstaats bildet - der Bürger muss sich auf das Recht verlassen können. Das gilt sowohl im deutschen wie auch im europäischen Rechtssystem.

Für die rechtliche Anerkennung englischer Limiteds in deutschen Recht spricht ferner, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Sitztheorie im Wesentlichen aus der Zeit vor der GmbH-Reform 2008 stammt; damals wurde die Vorschrift gekippt, wonach deutsche GmbH's ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben müssen. Umgekehrt wird nun aber das deutsche Recht von Gesellschaften aus Nicht-EU-Mitgliedsstaaten nicht ohne Weiteres verlangen können, dass diese ihren Verwaltungssitz in ihrem Herkunftsland haben müssen. Dies würde auch für nach dem Brexit gegründete englische Limiteds gelten. Sie sehen: In diesem Thema ist Bewegung, es bleibt abzuwarten, wie deutsche Gerichte künftig entscheiden.

Steuerliche Folgen des Brexit für deutsche Limiteds

Sicher ist aber bereits, dass englische Limiteds in Deutschland nach dem 01.01.2021 einen steuerlichen Bestandsschutz genießen – aufgrund des Brexit-Steuerbegleitgesetzes bestehen sie in steuerlicher Sicht zumindest mit ihrem Altvermögen als Körperschaft weiter.

Der Gesetzgeber hat damit vermieden, dass Limiteds, die nicht auf den Brexit reagieren, steuerlich benachteiligt werden. Denn bei Übergang des Geschäfts der Limited auf den/die Gesellschafter wäre es ansonsten zur Liquidationsbesteuerung (25 % Kapitalertragssteuer, zusätzlich Auflösung der Stillen Reserven einschl. des Immateriellen Firmenwerts, der nach § 203 Abs. 1 BewG mit dem 13,75-fachen des Durchschnittsgewinns (!!!) errechnet wird) gekommen, was für die überwiegende Mehrzahl der betroffenen Unternehmer finanziell mit Sicherheit das Aus bedeutet hätte.

Die Folge des steuerlichen Bestandsschutzes ist aber eben auch, dass die Limited im englischen Register eingetragen bleiben muss, sollen diese Steuerfolgen vermieden werden. Das gilt auch, wenn zuvor eine Holdinggesellschaft (z.B. irische Limited) gegründet wurde.

Die Übertragung der Shares der englischen Limited an eine irische Limited als Holding bleibt steuerneutral, wenn einige Regeln eingehalten werden: Gemäß § 21 UmwStG konnte die Beteiligung an der operativen englischen Limited ohne Aufdeckung der Stillen Reserven in die irische Limited eingebracht werden (sog. Anteilstausch). Nach Gründung der irischen Limited ist auf deren Shares noch keine Einzahlung erfolgt. Anstelle der Einzahlung des Nominalbetrags (i.d.R. 1 Euro je Share) konnte der Gesellschafter nun eine Sacheinlage in Form der Shares der englischen Limited erbringen. (Das irische Gesellschaftsrecht bestimmt dsbzgl.: "Shares may be paid up in money or money's worth", lässt solche Sacheinlagen also ausdrücklich zu.) Voraussetzung dafür, dass dieser Anteilstausch im Wege der Einbringung ohne Aufdeckung der Stillen Reserven vonstatten geht, ist, dass bei der Finanzverwaltung für die Holding-Gesellschaft ein Antrag auf Buchwertfortführung gestellt wird und mindestens 51 Prozent der Shares der englischen Limited übertragen werden (und zwar spätestens bei Abgabe der ersten Steuererklärung für die irische Limited). Wir empfehlen, die steuerlichen Details in jedem Fall mit einem Steuerberater zu klären.

Fazit:

Limiteds, die in England nur über einen Briefkasten verfügen und deren Geschäft sich ansonsten in Deutschland abspielt, dürften seit 01.01.2021 im deutschen Recht nicht mehr anerkannt sein. Sie sind in Deutschland nicht "verboten" oder "illegal", werden rechtlich aber als Personengesellschaft bzw. Einzelunternehmen zu behandeln sein.

Absolute Rechtssicherheit über die weitere Anerkennung einer englischen Limited in Deutschland wird leider erst in einigen Jahren möglich sein, wenn die ersten obergerichtlichen Entscheidungen zu den dsbzgl. Verfahren, die in den nächsten Wochen und Monaten rechtshängig werden dürften, kommen.

Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung solcher Limiteds im Steuer- und im Zivilrecht müssen Unternehmer, solange die genannten Steuernachteile vermieden werden sollen, ihre englische Limited bis auf Weiteres im englischen Register eingetragen lassen. Wer das Geschäft zu schnell auf einen neuen Unternehmensträger (z.B. eine Unternehmergesellschaft oder eine irische Limited) überträgt, riskiert verheerende steuerliche Folgen: Das Finanzamt wird dann den gesamten Unternehmenswert, einschließlich der Stillen Reserven und dem Immateriellen Firmenwert (Durchschnittsgewinn mal 13,75!) besteuern.

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